Projektmanager Simon Probst möchte erleben, was in anderen Lebenswelten vor sich geht
Simon Probst kam im März 2020 mit dem Fahrrad vorbei, als er die Schlange an der Essensausgabe sah, und er fragte, ob er helfen könne. Unterstützung werde immer gebraucht, antwortete ihm Pfarrer Stefan Nadolny. Seither hilft Simon Probst in der Essensausgabe an der Neuen Brüderkirche. Bis zum März 2021 hat er in Kassel „nachhaltiges Wirtschaften“ studiert, und heute ist er Projektmanager in Unternehmensnetzwerken für Nachhaltigkeit in ganz Deutschland. „Was hier praktiziert wird, das ist Nachhaltigkeit. Lebensmittel nicht wegzuwerfen und dies mit dem sozialen Aspekt zu verbinden, das ist nachhaltig“, sagt Simon Probst: „Es hat lange gedauert, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Ich war erstmal vorsichtig, und so brauchte es ein bisschen Zeit, um Vertrauen aufzubauen. In Nürnberg, wo ich herkomme, hatte ich schon einmal ein Praktikum in einer Obdachloseneinrichtung absolviert. Hier sind die meisten Menschen, die kommen, nicht obdachlos, sie müssen nicht betteln. Es sind auch viele Studierende hier, die sich Essen abholen. Es ist diese Mischung, die mir gut gefällt.
Die Kommunikation ist hier manchmal schwierig, weil es wegen der verschiedenen Sprachen zu Missverständnissen kommt. Aber alle Menschen, die sich hier engagieren, haben ähnliche Ziele im Leben, nämlich anderen zu helfen. Das ist unheimlich beeindruckend, dass Menschen hierherkommen, um anderen zu helfen. Es gibt so viele kleine Erlebnisse, an die ich mich erinnere. Ich habe erlebt, wie Menschen dankbar sind. Hier sind für mich Bekanntschaften entstanden. Freundschaft wäre auf einem anderen Level. Dafür sind sie Altersunterschiede zu groß, und die Zeit, die ich hier verbringe, ist zu kurz. Aber wir treffen uns immer wieder und haben schon mit allen gegrillt. Das war sehr schön.
Mit Kirche habe ich eigentlich wenig zu tun. Nach der Konfirmation hat die Verbindung komplett nachgelassen. Ich hatte schon den Gedanken, aus der Kirche auszutreten, aber ich habe ihn jetzt zurückgestellt.
Ich finde, jede und jeder sollte sich engagieren in der Gesellschaft und für andere. Ich bin gerne hier. Ich möchte etwas tun, das mit meinen Werten übereinstimmt. Ich will mit Menschen aus anderen Kulturen zusammenkommen, weil man sonst nur in der eigenen Blase lebt. Wenn ich zum Fußball gehe, oder wenn ich hierherkomme, kann ich mitbekommen, was in anderen Lebenswelten vor sich geht. Das ist auch der Grund, warum sich Unternehmen in Netzwerken von nachhaltiger Unternehmensführung engagieren. Die Begegnung mit Menschen aus anderen Lebenswelten stärkt die Toleranz und den Idealismus. Sie steigert die Motivation, und die Fluktuation in den Unternehmen sinkt. Der Blick in andere Welten macht toleranter, empathischer und resilienter.“
Portrait: Claus Müller von der Grün – Foto: Karola Müller von der Grün