Omar Al Masalma ist ein gepflegter Herr in seinen Fünfzigern. Er ist höflich, nimmt sich zurück und lässt anderen stets den Vortritt. 2019 kam er mit seiner Frau und vier Söhnen aus Syrien nach Deutschland. Zwei Töchter blieben in der Heimat. Materiell hat er dort – fast – alles verloren: „Der Krieg hat alles kaputt gemacht. Und was war Syrien für ein schönes Land. Schulen, Universitäten und Krankenhausbehandlung, alles war kostenfrei für die Bürger.“ Omar Al Masalma ist Agraringenieur. Er arbeitete für ein Unternehmen, und baute sich zugleich eine private Existenz auf. Er besaß mehrere Wohnungen und Läden, die er als Unternehmer in eigener Regie mit all dem führte, was man zum Bau eines Hauses und zu seiner Einrichtung braucht. „Alles ist kaputt“, sagt Omar Al Masalma streckt seine Hände aus und streicht mit ihnen horizontal durch die Luft.
Omar Al Masalma lernt Deutsch. Er strebt das Niveau A 2 an. Wegen Corona finden die Präsenzkurse nicht mehr wie gewohnt statt, und online fällt das Lernen schwerer. Aber der Schüler gibt nicht auf, und gerne würden er und seine Frau, eine Englischlehrerin, auch arbeiten. „Ich liebe Arbeiten. Aber ich habe nichts gefunden.“ Im Gegensatz zu den Söhnen. Einer arbeitet, zwei absolvieren eine Ausbildung und einer geht noch zur Schule. Einer der Söhne hat eine deutsche Frau, und Omar Al Masalma ist Großvater. Stolz zeigt er die Bilder der jungen Familie und des Enkelkindes.
Zur Neuen Brüderkirche kommt Omar Al Masalma seit zwei Jahren, seit dem Beginn der Coronapandemie, als die Lebensmittelverteilung in dieser Form begann, drei mal die Woche zum Packen von Tüten mit Lebensmitteln. Schon bald gehörte er dem Koordinationsteam an. Er kontrolliert die Qualität der Lebensmittel und verteilt diese an die Abholenden. „Ich mag die Verteilung. Ich liebe diese Arbeit. Ich komme dadurch in Kontakt zu den Menschen. Der eine möchte eine Tüte mit Paprika, der andere mit Salat. Unsere gemeinsame Sprache ist Deutsch, aber die Menschen kommen aus Russland, Rumänien und Bulgarien, ebenso aus arabischen Staaten. Es sind mehr arme Leute, die kommen. Jeden Tag geben wir 80 bis 100 Tüten aus. Jetzt mache ich mit Stefan Nadolny ein neues Projekt. Wir wollen Fahrräder reparieren. Und im Garten habe ich auch schon Beete angelegt.
Dass dies hier eine christliche Kirche ist und ich Muslim, ist für mich kein Problem. Ich komme her wegen der Kontakte. Mir macht die Arbeit Spaß, und sie ist gut fürs Herz. Denn ich helfe gern, und meine Frau arbeitet auch hier in der Kirche.“ Lob empfängt Omar Al Masalma auch für seine Videos. In ihnen zeigt er den anderen Menschen Stellen in der Stadt, die kaum einer wahrnimmt, geschweige denn kennt: „Ich filme immer wieder die Natur – den Garten, die Pflanzen oder einen See -, weil ich sie liebe.“
Portrait: Claus Müller von der Grün – Foto: Karola Müller von der Grün