Wir laden herzlich ein zur Ausstellung „Hearspells“ von Andara Shastika, Absolventin der Kunsthochschule Kassel. Die Eröffnung ist am Dienstag, den 13.8. um 17 Uhr in der Neuen Brüderkirche.
Herzliche Einladung auch zum Kunst-Gottesdienst mit Künstleringespräch am Sonntag, den 18.8.2019 um 11 Uhr!
Die Installation fragt nach dem Prozess des Aneignens einer Sprache. Andara Shastika stellt die klaren Grenzen zwischen Sprachen in Frage. Es gibt mehr Worte, die über alle Möglichen Grenzen hinweg verstanden werden, als wir denken. Und sie erforscht, wie das Lernen von Sprache nicht nur rational geschieht. Begibt man sich nicht hinein in eine Sprache? Verbindet sich nicht mit der Sprache ein Geist? Ist es eine Form von Besessenheit, eine Fremdsprache zu sprechen? Gibt es positive und negative Formen von Besessenheit?
Die Installation ist auch eine sehr anregende Intervention in dieser Kirche. Hier finden täglich Sprachkurse statt. Viele Menschen, die ursprünglich die verschiedensten Sprachen sprechen, begegnen sich, nicht nur aber auch beim Treffpunkt international. Was geschieht da, wenn wir uns verständigen? Wer die alten Geschichten kennt wird an Pfingsten denken. Es bleibt ein interessantes Rätsel, wie durch den Geist Sprachgrenzen überwunden werden.
Die Installation arbeitet aber auch mit dem Raum selbst und den Räumen, Ebenen, Gegenständen und Möbeln in der Kirche, den Abstufungen von Heiligkeit und den Bedeutungen und Assoziationsfeldern, die im Raum präsent sind. Sie trägt ihre eigenen Erfahrungen ein. Raum und Kunst wirken aufeinander ein. Für diejenigen, die den Raum kennen, ist es eine Differenzerfahrung, die es ermöglicht, den Raum vielschichtiger wahrzunehmen.
Einige Hinweise über Kirchenräume im Allgemeinen:
- Ein Altar ist vieles gleichzeitig, in den verschiedenen kirchlichen Traditionen wird das ein oder andere mehr betont, immer bleibt aber alles präsent. Ein Altar ist ein Tisch, ein Ort der Tischgemeinschaft. Ein Altar war Opfertisch, ein Ort des Leidens und der Erlösung. Ein Altar ist ein heiliger Ort, wo die heiligen Gegenstände und Schriften liegen.
- Eine Kirche hat unterschiedliche Bereiche. Früher gab es stärkere und weniger starke Unterteilungen zwischen Bereichen, die unterschiedlichen Personengruppen zugeordnet waren. Der Chorraum hinter dem Altar war den Priestern vorbehalten. In der Reformation ist diese Trennung aufgehoben worden, entsprechend dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen.
- Das Wort hat im Kirchenraum eine besondere Bedeutung. Da ist die heilige Schrift – eine plurale Sammlung unterschiedlichster Texte. Aber das Wort Gottes ist nicht gleichzusetzen mit dieser Schrift, auch nicht mit Worten eines Pfarrers in der Predigt. Es geht um Verständigung und Aneignung, was nicht ohne den Geist geschieht. Auch deshalb wird zu Beginn des Gottesdienstes gesungen: „Komm, heiliger Geist“. Eine Kirche ist immer ein Kommunikationsraum.
- Die Farbe Purpur hat eine lange Tradition als Kirchenfarbe, aber auch vorher schon eine große Bedeutung: Der Farbstoff wurde in der Antike in einem aufwändigen Prozess aus Purpurschnecken hergestellt, man benötigte 10.000 Schnecken für ein Gramm Farbstoff. Die Farbe zu tragen war in Rom den Senatoren vorbehalten. Eine Farbe der Mächtigen ursprünglich, der rote Teppich kommt da her. Was hat Sprache mit Macht zu tun?
Stefan Nadolny