Gesprächsveranstaltung „also-space“

“also-space” – wie besondere Räume Begegnungen ermöglichen und Verbindungen stärken können

mit Bischöfin Beate Hofmann, dem documenta-Künstler Reinaart Vanhoe u.a.

Am Donnerstag, den 1. September um 17-18.30 Uhr auf dem Hof des Stadtteilzentrums (bei Regen in der Kirche)

Räume sind ein wichtiges Thema der documenta fifteen. Das mag mit der vielfältigen Erfahrung von ruangrupa mit Räumen zu tun haben. Lange Zeit mieteten sie bewusst nur für kurze Zeiten Räume an, um mit immer wieder neuen Nachbarschaften in Kontakt zu kommen. Für Kurator*innen geht es immer um die Gestaltung von Räumen – ruangrupa hat einen besonderen Umgang gefunden: Das ruru-Haus als ein besonderer Ort mit unterschiedlichen Funktionen. Die Repräsentation der Orte der eingeladenen Kollektive in der Ausstellung. Das Bespielen und die Umgestaltung von besonderen Orten in Kassel.

Räume spielen auch eine große Rolle für kirchliches Handeln – nicht nur Kirchenräume. Auch die Sozialräume, in denen Kirchengemeinden agieren. Gemeinden arbeiten nicht nur mit Einzelpersonen, sondern Gemeinden bilden einen kirchlichen „Raum“, der meist auf Kirchen und weitere kirchliche Räume bezogen ist. Gleichzeitig bezieht sich Gemeinde auch auf Stadtteile oder Ortschaften und agieren auf das ganze Gemeinwesen bezogen. Kirchliche Räumlichkeiten können für ein Gemeinwesen wichtige Funktionen übernehmen, wenn Gemeinden ihre Räumlichkeiten für die in diesem Gemeinwesen wichtigen Anliegen öffnen.

Ein besonderes Experiment des documenta-Künstlers Reinaart Vanhoe ist es, an einem „inhabited space“ zu arbeiten, gemeinsam mit denen, die diesen Ort bewohnen. Das widerspricht der üblichen Praxis, entweder im „white cube“ des Museums auszustellen oder aber einen Ort für die Dauer der Ausstellung auszuräumen und nach der Ausstellung wieder leer zu hinterlassen. In unserem Fall arbeitet Reinaart Vanhoe einerseits mit den Akteuren in Stadtteilzentrum und Kirche zusammen, andererseits auch mit den verschiedenen Kollektiven, die er eingeladen hatte, einen „Schrein“ zu gestalten. Auch uns an der Neuen Brüderkirche hatte er angesprochen, und wir haben zusammen mit vielen Gruppen einen Teppich geknüpft. Dieser definiert ebenfalls einen Raum – in diesem besonderen Raum fanden verschiedene Konzerte und Gespräche statt, so auch dieses Gespräch.

Es sind zwei Impulse von je 10 Minuten geplant, von der Bischöfin und von Reinaart Vanhoe, beide zum Thema Räume.

Bischöfin Beate Hofmann verwies in einem Vortrag über Kirchenumnutzungen auf Martina Löw und den „spatial turn“ in den Sozialwissenschaften – sie war Professorin für Diakoniewissenschaft, bevor sie Bischöfin wurde. Im Reformprozess unserer Landeskirche wirbt sie darum, viele Kontaktflächen zu schaffen – auch durch eine Öffnung kirchlicher Räume und Mehrfachnutzungen. Sie betont in ihrem Text, dass Neues oft auf der Grenze entsteht, in der Begegnung der Verschiedenen. An unserem Standort gibt es dafür viele Beispiele: Die Kirche wird nicht nur für den Gottesdienst, sondern auch für die Lebensmittelverteilung und die Kleiderkammer genutzt, außerdem für Kulturveranstaltungen – besonders jetzt zur documenta. Das Stadtteilzentrum (das ehemalige Gemeindehaus) wird vom Diakonischen Werk betrieben, im Beirat und im Team begegnen sich Diakonie, Stadt Kassel, Kulturzentrum Schlachthof und Kirchengemeinde. In der Kirche, im Stadtteilzentrum, auf dem Hof und im Garten sind Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen unterwegs – Begegnungsräume mit den entsprechenden Herausforderungen.

Reinaart Vanhoe hat u.a. ein Buch über „also-space“ geschrieben („also-space“ and how indonesian art initiatives reinvented networking). Ein anderes Buch von ihm heißt „art within a citizen scene“. Räume spielen also in zweierlei Weise eine besondere Rolle, zum einen der Sozialraum (der Stadtteil, die Nachbarschaft, das Netzwerk, die Gemeinschaft der Interessierten), zum anderen die Räume selbst, die Begegnung ermöglichen. Reinaart Vanhoe propagiert den „also-space“ – immer wenn er sein Kürzel ook_ nutzt. „ook“ bedeutet „auch“ auf niederländisch. Dabei geht es um unterschiedliche Ebenen: Hierher kommen sowohl diese als auch jene. Hier kann man etwas bekommen und auch etwas geben. Hier kann man sowohl dies machen als auch das. Dieser Ort wird betrieben von X, aber auch von Y. Ich bin sowohl Gast als auch Gastgeber – und auch du bist eingeladen, beides zu sein.

Nach den beiden Impulsen wollen wir in einem zweiten Teil mit allen Anwesenden ins Gespräch kommen. Ich stelle mir vor, dass dieses Gespräch insbesondere für uns „auf dem Hof“, also zwischen Kirche und Stadtteilzentrum, besondere Chancen bietet.

Mit den Räumen verbindet sich das Stichwort Atmosphäre, das in den Kulturwissenschaften eine große Rolle spielt. Es geht um das Phänomen, dass Gefühle nicht nur individuell sind, sondern auch „räumlich“ sein können, d.h. überindividuell. Stimmungen übertragen sich auf die nahe Umgebung. Welche Atmosphäre wollen wir auf dem Hof und in unseren Räumen? Atmosphäre ist unverfügbar (wie der Heilige Geist – der Wind weht wo er will), aber dennoch gibt es Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Dabei geht es um das Verhalten der Anwesenden, aber auch um das äußere Erscheinungsbild von Räumen und Außenbereichen. Wie gelingt es, dass sich Menschen willkommen und wohl fühlen können? Welche Signale sendet welches Verhalten und welches äußere Erscheinungsbild?

Wir freuen uns auf ein angeregtes und anregendes Gespräch!

Eine Veranstaltung der Ev. Hoffnungskirchengemeinde, des Projektes Fahrrad-Kultur-Garten Wesertor und des Kollektivs „common ground“ im Rahmen der documenta fifteen