Predigt zu Jubilate, 3. Mai 2020

von Claudia Barth

I  Alles neu macht der Mai

In einer großen Wochenzeitung gibt es regelmäßig diese Vorher- Nachher-Bilder: Kinderbilder aus den 70gern oder 80gern mit den inzwischen „gereiften“ Geschwistern neu nachgestellt oder von besonderen Besuchen, Ereignissen, die nach Jahren und Jahrzehnten aktuell werden durch ein Foto am selben Ort. Und manchmal auch von Garten-erzeugnissen: zarte Pflänzchen, die sich in blühende Blumen verwandelten oder schwerbehangene fruchttragende Reben wurden.

Ganz präsent habe ich im Moment ein solches Vorher-Nachher -Bild bei meinen Fahrradtouren vor Augen: gefühlt letzte Woche war die Strecke noch leer und der Durchblick links und rechts mühelos und auch ein bisschen grau in grau. Aber jetzt ist plötzlich alles dicht und grün und erfüllt von Gesumme der Insekten und dem Gezwitscher der Vögel.

Ich bin erfüllt von dem Duft tausender Blüten und vom erdigen Geruch des Frühlingsregens. Mir geht das Herz auf über diese wunderbare Fülle der Schöpfung und ich stimme mit dem Sänger des Wochenpsalms 66 ein: „Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!“  Das passt wunderbar zu meinem Ostergefühl: zum Leben erwacht – ist die Natur, sind aber auch wir. Wir tauchen wieder auf. Langsam tauchen wir aus Schockstarre, Schrecken und Shutdown wieder auf. Und stellen vorsichtig und noch etwas verwundert fest: Ja, wir leben. Wir leben anders. Aber wir merken: das geht. Für manche ist es ein Gefühl von neu – geboren sein. Rausgebremst aus unserem schnellen und schnelllebigen Alltag tauchen wir auf unbekannten Ruheinseln auf. Und können wieder durchatmen, durchschlafen, durchhalten. Unsere Welt hat sich verändert. Ja, aber wir haben uns auch verändert.

II Alles neu – durch die Krise?

Eine Diagnose kennen wir alle. Auch eine Prognose. Zur aktuellen Schau und der Schau in die Zukunft gibt es auch noch die Rück-schau, die Re-gnose. Die Schau aus der Zukunft zurück ins Heute. Klingt verrückt. Aber was Zukunftsforscher wie Matthias Horx damit entdecken, ist erhellend. Versuchen Sie mal das gedankliche Experiment: z.b. vom Herbst 2020 zurück auf heute blicken. Ich sehe mich in einer Eisdiele sitzen und einigermaßen verwundert auf den April zurückschauen. Es war shutdown. Wir waren allein zu Hause oder auch allein im Büro – und doch gab es viele Kontakte. Viele mussten homeoffice machen – und fanden es gar nicht so schlecht. Inzwischen gibt es ein Recht auf Homeoffice. Es gab keine Businessflieger zwischen München und Berlin mehr – dafür plötzlich viele Videokonferenz-Expertinnen. Und im Herbst 2020 ist es selbstverständlich, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, weil die vorläufigen Radspuren gerade in permanente verändert werden. Und die Luft ist wegen immer noch geringerer CO2 und Co. – Belastung sogar in China besser. Verwundert stelle ich fest, dass ich lange keine Berichte über ausfällige oder gar gewalttätige Fußballfans gehört habe, mich im Gegenteil oft über solidarische Nachrichten freue: höhere Grundgehälter z.B. für Erzieherinnen sowie Schwestern und Pfleger aller Bereiche. Eine Regionalisierung des Handels hat eingesetzt, weil wir das Warentetris rund um die Welt zu teuer und schädlich finden. Viele Arbeitsplätze entstehen neu. Und eine neue Höflichkeit hat sich durchgesetzt – Nachbarschaftshilfe ist selbstverständlich geworden. Vieles, was im Herbst 2020 vor meinem Erinnerungsauge auftaucht, fühlt sich ziemlich gut an.

Tatsächlich hilft mir diese Gedankenschleife, die Unwägbarkeiten der derzeitigen Situation für mich in Schach zu halten. Und ich merke, dass ich selber die momentane Situation durchaus gestalten kann. Es ist vieles anders, aber – ich lebe wie vorher auch, mittendrin. Es fühlt sich noch fremd an, ungewohnt. Aber es ist Leben. Oder wie jemand treffend sagte: „Ein Leben mit Corona ist auch ein Leben!“

Glaubt man den Zukunftsforschern, ist das durchaus eine besondere Erfahrung. Die Zukunft ändert gerade ihre Richtung. Das erleben nicht alle Menschen. Eine Tiefenkrise, die alles verändert. Alles neu macht.

III  Alles neu durch Jesus

Vielleicht war es das, was Paulus damals erlebt hat? Da hatte sich für diesen Intellektuellen in der Begegnung mit Jesus plötzlich eine neue geistliche Welt aufgetan. Genauso unerwartet wie kurz vorher für die Fischer rund um den See Genezareth und einige andere. Eine Tiefenkrise ungeahnten Ausmaßes, – weil Paulus seinen Namen gehört hatte; eindeutig gerufen von dem gekreuzigten Rabbi Jesus. Das konnte sogar Paulus nicht sofort fassen. Er brauchte seine Zeit. Aber irgendwann schrieb er an die Gemeinde in Korinth:  

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“  2 Kor 5,17

Das Alte, das alte Leben, die Angst, auch die Überheblichkeit hatten dem Neuen Platz gemacht. Paulus war wie neu geboren. Verwundert stellt er fest, dass das Neue trägt: Ein Leben mit Jesus – das ist ewiges Leben. Weil der Tod schon besiegt ist, ist ein Leben ohne Angst möglich.

Und zwar mitten in Coronazeiten, mitten in der Tiefenkrise. Da können wir sagen:  wir sind nicht allein. Leben verändert sich, und wir mit ihm. Und spüren plötzlich: dieses Leben ist Gott. In mir.

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“  2 Kor 5,17

In Jesus haben wir eine neue Perspektive aufs Leben. Auf ein unverlierbares Leben in Gott. Alles ist neu geworden – und trägt mich. Das ist mein Nachher – Bild. Und deshalb singe ich mit dem Psalmbeter:

„Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke!“ 

Amen.

Zum Weiterlesen:

www.horx.com und www.zukunftsinstitut.de.