Online-Predigt am ersten Sonntag der Corona-Krise

Die Gottesdienste fallen aus – manche werden den Gottesdienst vermissen. Deshalb hier eine Predigt zum Nachlesen:

Liebe Gemeinde,

diesen Sonntag treffen wir uns nicht in der Kirche. Das ist natürlich schade, insbesondere diesen Sonntag, weil wir uns schon auf den Vorstellungsgottesdienst der Konfis gefreut hatten.

Und aus unterschiedlichen Gründen könnte man das auch in Frage stellen. Z.B.:

  • Es entscheidet doch jeder selbst, ob er sich in Gefahr bringen und anstecken will oder nicht.
  • Es wird schon nichts passieren, wenn alle Abstand halten.
  • Früher sind die Menschen in Notzeiten immer in den Kirchen zusammengekommen.
  • Haben wir denn gar kein Gottvertrauen mehr?

Ich will jetzt gar nicht auf alles eingehen, aber auf die letzte Frage schon. Denn während man zu den anderen Fragen leicht Antworten aus epidemiologischer Sicht finden kann, geht es bei der letzten Frage um Theologie. Und dazu würde ich gerne etwas sagen.

Natürlich ist Gottvertrauen gut. Natürlich brauchen wir die Zuversicht, dass am Ende alles gut wird auf die eine oder andere Weise. Ganz ohne Gottvertrauen (oder einfach Vertrauen in die Zukunft) neigen Menschen sicher leichter zu extremen, übertriebenen Hamsterkäufen (ein bisschen Hamstern ist ja schon in Ordnung und auch richtig, damit man nicht so oft einkaufen gehen muss). Dann muss man für alles selbst sorgen, und man fühlt sich eben sicherer, wenn man „prepared“ ist für monatelange Selbstversorgung.

Und es ist auch richtig, manches in Gottes Hand zu legen. „Dein Wille geschehe“, beten wir im Vaterunser. Also, alles laufen lassen?

Der Haupttext für den ersten Sonntag in der Passionszeit, „Invokavit“, ist die Erzählung von der Versuchung Jesu in Matthäus 4. Darin kommt auch diese Episode vor:

„5 Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel 6 und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. 7 Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“

Also, wir sollen nicht unnötige Risiken eingehen – und uns dann am besten noch nachher beschweren, Gott habe nicht geholfen.

Dazu gibt es einige ganz lustige und interessante Sprüche, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

Z.B.: Vertrau auf Gott – aber schließ dein Auto ab! O.K., das richtet sich vielleicht mehr an Autobesitzer. Genauso wie: Fahr nicht schneller als dein Schutzengel fliegen kann.

Aber auch dieser hier zielt in eine ähnliche Richtung: Gott hat keine Hände als unsere Hände. Sagte Dorothee Sölle. Daraus ergibt sich eine interessante Paradoxie: Wir legen die Sache in Gottes Hände – aber Gott hat keine anderen Hände als unsere Hände. Damit ist klar, wir müssen es irgendwie selbst machen – aber zusammen, es ist eine größere Sache, die wir aber selbst tun.

Da gibt es auch die schöne Geschichte von der Frau (oder war es ein Mann?), die sich bei Hochwasser auf das Dach ihres Hauses flüchtet. Es kommt ein Boot und will sie mitnehmen, aber sie sagt: Nein Danke, Gott wird mich retten! Das Wasser steigt, es kommt noch ein Boot, und dann ein Hubschrauber, sie antwortet wieder das gleiche, und schließlich ertrinkt sie. Im Himmel fragt sie Gott: Wieso hast du mich nicht gerettet? Und Gott antwortet: Ich habe dir zwei Boote und einen Hubschrauber geschickt, und jetzt sagst du mir, ich habe dich nicht gerettet?

Gottes Wirken ist manchmal ganz schön versteckt. Aber wo Besonnenheit und Liebe am Werk sind, ist Gott am Werk. Wo Menschen besonnen und liebevoll handeln, ist Gott am Werk – wenn man so will. Gott ist die Liebe, heißt es in der Bibel. In diesem Sinne wollen wir auch diese schwere Situation mit dem Corona-Virus Gott anvertrauen. Möge Gott die Liebe und die Besonnenheit der Menschen stärken, und insbesondere unsere Solidarität – denn darum geht es. Wer jünger ist könnte locker sagen: Ich werde es schon überleben, ich habe keine Lust, mich irgendwie einschränken. Der Staat könnte auch sagen: Wir lassen das laufen, wir wollen ja nicht die Wirtschaft schädigen. Aber es geht um den Schutz derjenigen, bei denen schlimmere Krankheitsverläufe zu befürchten sind. Deshalb beten wir für Besonnenheit und Solidarität. Und damit überlassen wir die Sache gerade nicht einfach nur Gott. Sondern damit richten wir selbst uns auf diese Ziele hin aus. Damit eröffnen wir einen Raum, wie mir vor kurzem jemand sagte. Einen Raum in uns, aber nicht nur das, sondern auch zwischen uns und in der Welt. Einen Raum für das Wirken Gottes, das immer auch etwas ist, was mit uns und zwischen uns geschieht.

So wie es in vielen Kirchen geschieht, möchte ich zur Gottesdienstzeit sozusagen stellvertretend für alle beten. Vielleicht betet ihr ja zu Hause mit. Bleibt behütet und gesund!

Gott, schaffe du, was wir nicht schaffen können

Info zum Lied hier.

Stefan Nadolny

Herzliche Grüße auch von Pfarrerin Claudia Barth, die in der Erlöserkirche das Gebet hält.

Unter www.ekkw.de gibt es auch eine Videoandacht unserer Bischöfin.