Wo ist Gott in der Corona-Krise? So viel Leiden – und Gott?
Manche sagen: Jetzt straft Gott die Menschheit. Andere wollen den Teufel austreiben. Andere sagen: Gott wird uns auch nicht helfen. Wo ist Gott?
An Karfreitag sehen wir, wie Jesus am Kreuz stirbt. Und denken an all das Leid in der Welt. Die Jüngerinnen und Jünger fragen sich auch: Was geschieht denn jetzt? Wieso tut Gott denn nichts? Ihr Weltbild bricht zusammen.
Aber dann erleben sie, dass Jesus nicht einfach weg ist. Sein Geist lebt – er selbst lebt! Er lebt in ihnen. Sie merken: Das was sie mit Jesus und untereinander verbindet ist stärker als der Tod.
Und damit hat sich für sie etwas verändert: Sie sehen jetzt Jesus nicht mehr als den Gescheiterten, sondern wirklich als den, in dem Gott ihnen nah gekommen ist – als Sohn Gottes, sie können es nicht mehr anders sagen, obwohl das eigentlich nicht „political correct“ ist, das kann man eigentlich nicht so sagen. Aber sie können nicht anders.
Damit verändert sich aber noch mehr. Damit ist sozusagen Gott selbst am Kreuz gestorben. Was das bedeutet, hat die Christenheit noch länger beschäftigt, und ich denke, es bleibt ein Rätsel.
Aber ich sehe das als Chance und als Stärke. Gott ist nicht nur der Gott aben im Himmel, der mächtige, der Herr der Geschichte. Sondern Gott ist auch mitten im Leiden. Und auch in den Menschen, die lieben und mitleiden und versuchen, leiden zu verhindern oder wenigstens zu lindern.
Die Rede von der Dreieinigkeit Gottes ist ein Versuch, dieser Komplexität gerecht zu werden. Gott ist vielfältig, mindestens dreifältig, und trotzdem einer.
Wir haben uns mit einigen Gemeinden im Kooperationsraum koordiniert und tauschen uns mit Andachten aus. Die Andacht zu Karfreitag von Tobias Heymann findet sich hier.
Außerdem hier die Andacht zu Karfreitag von unserer Bischöfin Beate Hofmann:
Eine Andacht von Claudia Barth und anderen. Die Nacht der verlöschenden Lichter – das ist eine alte liturgische Form. Dietrich Bonhoeffer, dessen Tod sich in diesem Jahr zum 75. mal jährt, hat die Nacht der verlöschenden Lichter in Rom miterlebt. Es kann gut sein, dass er später immer mal daran zurückgedacht hat.
Karfreitag sind die Erlöserkirche und die Neue Brüderkirche um 15-17 Uhr geöffnet – zur Todesstunde Jesu. Wer möchte, kann eine Kerze anzünden und für sich und andere eine Andacht mit nach Hause nehmen. Am Ostermorgen sind beide Kirchen von 10-12 Uhr geöffnet.
Palmsonntag, 05.4.2020 PREDIGT zu Mk 14,3-9 – von Pfarrerin Claudia Barth
I Jesus zieht in Jerusalem ein
Die Bilder kennen wir alle: wenn nicht aus der biblischen Erzählung, dann von anderen Heilsbringern, die mannigfaltig auftreten und sich gerne feiern lassen. Alle jubeln dem Einen zu, während er in die Stadt einzieht. Für manche Zeitgenossen damals war auch Jesus nur einer dieser Vielen, die zumindest in den Augen der Römer nur Unruhe in die Stadt brachten. Und so kurz vor dem Fest können sie so einen schon gar nicht brauchen: Zu Pessach ist die Stadt so voll mit Pilgern, dass religiöse Sonderwege am besten gleich unterbunden werden. Für andere ist Jesus aber viel mehr. Sie sehen in ihm den versprochenen Heilsbringer, den Messias. Seine Worte und sein Handeln haben sie überzeugt, dass er das Reich Gottes hier auf der Erde begründen wird. Voller Erwartung begleiten sie seinen Weg. Sie erleben den triumphalen Einzug in Jerusalem mit, sehen die Begeisterung der Menge und hoffen darauf, dass Jesus nun seine Macht als Sohn Gottes zeigen wird. Alles lässt sich wunderbar an. Die Anhänger von Jesus sind überzeugt, dass zu diesem Passahfest alles anders werden wird. Denn Jesus ist in Jerusalem eingezogen. Jetzt wird sein Reich Formen annehmen.
II Der Messias kommt – anders
„Lea! Shalom – da bist du ja endlich.“
„Miriam, wie gut, dich zu sehen! Ich muss dir unbedingt etwas erzählen.“
„Hast du ihn schon gesehen, Lea?“
„Du meinst Jesus? Ja, beim Einzug hier in Jerusalem, bei diesem unglaublichen Gedränge.“
„Ich bin so froh, Lea. Jetzt wird endlich alles anders! Wenn Jesus hier ist, dann sind wir die Römer bald los. ER wird alles anders machen.“
„Das glaube ich auch, Miriam. Aber mir ist trotzdem unwohl. Dieses Hosianna- Geschrei war mir etwas unheimlich. Die meisten Leute kennen Jesus doch gar nicht. Die sind einfach nur mitgelaufen.“
„Aber sie haben von ihm gehört! Es wird ja auch überall erzählt, dass er Lazarus auferweckt hat. Und die vielen Menschen am See satt gemacht hat. Und …“
„Ja, Miriam, das weiß ich doch alles. Aber ich frage mich, ob Jesus diese ganzen Erwartungen überhaupt erfüllen will. Z.b. die Römer vertreiben oder selber König werden. Ich habe das Gefühl, dass es ihm um was ganz anderes geht.“
„Lea, du hast es doch auch gehört und geglaubt: Jesus ist Gottes Sohn. Er ist der Gesalbte, unser Retter. Und bestimmt wird er alles tun, damit wir wieder in Frieden und Gerechtigkeit leben können. Und eben ohne die Römer. Deshalb ist er hierher nach Jerusalem gekommen. Das ist sein Weg.“
„Oh Miriam, ich wünschte, ich könnte auch so reden. Aber ich fürchte, Jesu Weg wird anders weitergehen als wir denken. Es ist gefährlich hier in Jerusalem. Die Römer sind nicht gerade zimperlich, wenn sie ihre gesellschaftliche Ruhe gefährdet sehen. Gerade jetzt zum Fest dulden die bestimmt keinen, der so einen Auflauf wie vor ein paar Tagen hervorruft. Und dann habe ich jetzt von dieser Begegnung in Betanien gehört. Das hat mich nochmal beunruhigt.“
„Was ist dort geschehen? Jesus war bestimmt heute dort.“
„Ja, gestern und heute wohl auch. Er war bei Simon dem Aussätzigen eingeladen. Und stell dir vor, da kam eine Frau – ich glaube aus Magdala -, die hatte ein kostbares Öl dabei. Und sie hat Jesus damit gesalbt als er dort bei Tisch lag. Mit dem ganzen Öl!“
„Ach du meine Güte! Das war bestimmt ein Vermögen, das sie da über ihn gegossen hat! Und Jesus? Wie hat er reagiert?“
„Jesus hat sie verteidigt! Tatsächlich haben sich die anderen Gäste mehr aufgeregt als er. Von wegen, das Öl hätte man doch verkaufen können und das Geld an Arme spenden und so. Sie haben die Frau wohl sehr beschimpft. Jesus hat die Frau beruhigt. Für ihn wäre es wie eine vorgezogene Salbung zu seinem Begräbnis. Und sie sollten sich mal nicht so aufregen; die Frau hätte ein gutes Werk an ihm getan. Andere haben erzählt, sie hätte sogar mit ihren Tränen seine Füße benetzt und mit ihren Haaren getrocknet!“
„Das wäre wirklich sehr mutig von ihr!“
„Jesus hat den schimpfenden Männern vorgehalten, dass die Frau mit mehr Liebe an ihm gehandelt hat als sie. Er hat es als Liebesdienst aufgefasst. Aber ich verstehe sein Wort von der Salbung zum Begräbnis nicht. Warum sagt er sowas?“
„Das hätte ich auch nicht erwartet. Du hast recht, Lea. So redet keiner, der in Kürze die Macht übernimmt und alles neu machen will. Und du bist sicher, dass Jesus das so gesagt hat?“
„Ja, ganz sicher. Er soll sogar noch gesagt haben: ´Den Armen könnt ihr jederzeit helfen, wenn ihr wollt. Aber Ich bin nicht immer bei euch.` Deshalb bin ich so unruhig.“
„Das hört sich fast wie eine Warnung an: Jetzt könnt ihr mir noch Gutes tun wie diese Frau. Aber bald geht das nicht mehr. Vielleicht müssen wir wirklich genauer hinschauen, Lea. Vielleicht ist der Weg, den er gehen will, ganz anders als wir dachten.“ Aber was sollten wir ohne ihn tun?
„Und vielleicht braucht Jesus mehr Menschen wie diese Frau. Die ihn mit Liebe auf seinem Weg begleiten. Und auch da sind, wenn dieser Weg anders als erwartet weitergeht.“
„Lea, Miriam! Kommt mit, ihr zwei! Jesus ist im Tempel und da soll große Aufregung sein …“
III Jesus kommt – kommen wir zu ihm?
Jesus ist seinen Weg gegangen. In Jüdäa und vor allem in Galiläa, am See Genezareth, hat er gewirkt. Geheilt, gepredigt, ermutigt. Jesus geht den Weg, den er vor sich liegen sieht. Trotz Ängsten macht er sich auf nach Jerusalem. Er ahnt, dass es ein Weg des Leidens werden wird. Immer wieder deutet er seinen Jüngern das an. Aber sie, die sie ihm so nah sind, sehen und verstehen nicht.
Die Frau in Betanien, die erkennt mehr. Sie sieht den Menschen Jesus auf seinem Weg. Und nimmt seine menschlichen Fragen und Ängste wahr. Im Lukasvangelium wird erzählt, dass die Frau weint. Sie spürt seine Not. Er leidet an dieser Welt, von der er ahnt, dass er auch durch sie leiden wird. Die Frau ist nach den Passionsgeschichten eine der ersten an seiner Seite, als er in Jerusalem ist. Sie geht seinen Weg des Leidens mit. Sie ist bereit, sich einzulassen auf diesen ungewissen Weg Jesu. Und vielleicht weint sie auch, weil sie schon die Trauer über den Verlust Jesu spürt. Er wird nicht so bleiben, wie sie ihn kannten.
Die Frau mit dem Öl handelt aus Liebe. Sie lässt sich anrühren von der Menschlichkeit Jesu. Seine Unsicherheit bringt sie dazu, menschlich zu handeln. Seine Kraftlosigkeit berührt und bewegt letztlich Menschen auf der Via Dolorosa menschlich zu handeln: die Frauen, die mit ihm weinen und ihm den Schweiß abwischen, Simon von Kyrene, der ihm das Kreuz trägt, die Frauen unter dem Kreuz, die bleiben.
Die Frau mit dem Öl hat etwas verstanden von der Menschlichkeit Gottes. Viele Jünger taten und tun sich schwer damit, weil sie nur auf die Macht schauen, die was verändern soll. Aber im Weg Jesu scheint etwas anderes auf: die Ohnmacht verändert auch. In der Ohnmacht Jesu stellen sich Menschen an seine Seite, gehen mit, handeln menschlich. Handeln aus Liebe.
Diesen Gedanken will ich mit in die Karwoche nehmen. Der menschliche Gott, der ohnmächtig der Welt ausgeliefert ist, ist gleichzeitig mein Gott, der mich zum Menschen macht. Indem ich wie die Frau mit dem Öl aus Liebe am Menschen handele, erfahre ich die Gegenwart Gottes. Der Blick auf Jesu Leiden verwandelt mich – und erstaunt entdecke ich, dass Neues aufwächst. Gottes Reich wächst schon mitten unter uns, sein Reich der Liebe.
„Hallo, was brauchen Sie?“ – „Vielleicht ein Brot?“ – Haben wir gerade nicht, aber Brötchen. Diese hier?“ – „O.K.. Und Obst?“ – „Ja, so ’ne Tüte mit Äpfeln und Mandarinen?“ – „Ja, gerne! Schön, dass ihr das macht!“ – „Danke für die Ermutigung! Und bleiben sie gesund!“
Die Stimmung ist sehr positiv bei der Lebensmittelverteilung an der Neuen Brüderkirche (Weserstraße 26), die jetzt jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag um 16-18 Uhr stattfindet. Viele freuen sich, dass sie hier noch etwas kostenloses Essen bekommen, insbesondere nachdem die Tafel im Moment geschlossen ist und auch andere Unterstützungsmöglichkeiten nicht erreichbar sind.
Das Foodsharing ist hier nichts Neues, sondern läuft seit einigen Jahren: Die Foodsaver von Foodsharing, darunter viele Studierende, holen Lebensmittel, die sonst vernichtet würden, bei Supermärkten und Backshops ab, damit sie verteilt werden können. Und auch andere, die nicht über Foodsharing organisiert sind, bringen schon seit einiger Zeit Lebensmittel, die das Angebot aufbessern.
Am Beginn der Corona-Krise und mit den damit verbundenen Auflagen stellte sich aber die Frage, ob das weitergehen kann. Nicht so wie bisher, das war klar: Offene Auslagen wollten alle wegen Ansteckungsgefahr vermeiden. Deshalb machten auch wir ein paar Tage dicht, und entwickelten ein neues Konzept, mit mit eingeschränkten Zeiten, mehr Teamarbeit, Ausgabe über einen langen Tisch, Handschuhen, Schürzen und Mundschutz, Abstandhalten, Desinfizieren und häufigem Händewaschen samt Happy-Birthday-Singen. So wird die Gefahr minimiert, dass Viren weitergetragen werden könnten.
Es war dann eine mutige Entscheidung des Kirchenvorstands, die Verteilung mit diesem Konzept fortzuführen – die natürlich nur möglich war, weil sich einige Mutige bereiterklärt hatten, die Arbeit zu machen. Mutig heißt dabei nicht, dass Risiken eingegangen werden. Es sind eher jüngere Mitarbeiter, die die Verteilung machen, damit niemand gefährdet wird. Wir riskieren nicht die Gesundheit der Abholenden, denn die Abholung gestaltet sich ähnlich wie ein Einkauf im Supermarkt, vielleicht sogar weniger risikoreich, denn die Abholung geschieht an der frischen Luft und es gibt keine Selbstbedienung. Mutig bedeutet hier, dass man etwas macht, was in Frage gestellt werden könnte. Es erfordert Mut, Verantwortung zu übernehmen. Der Mut, anderen zu begegnen, wo es doch sicherer wäre, zu Hause zu bleiben, spielt für die Beteiligten eine weniger große Rolle, denn die Begegnungen geschehen mit Abstand, und für Jüngere ist das Risiko kalkulierbar.
Wichtig ist den Aktiven die Solidarität mit und unter allen, die von der Krise besonders betroffen sind. Gerade jetzt ist es wichtig, dass Ressourcen genutzt werden, damit alle genug zum Leben haben. Das wird im Verlauf der Krise und danach noch sehr an Bedeutung gewinnen – und dieser Gedanke erfährt viel Unterstützung: Es haben sich weitere Helfer gemeldet, Foodsharing wird wieder Lebensmittel bringen, weitere Geschäfte spenden Lebensmittel. Das macht Mut für die Zukunft!
Übrigens: Auch die Bahnhofsmission verteilt Lebensmittel: „Wir sind im Moment vormittags von Montag bis Freitag am Bahnhof Wilhelmshöhe und geben dort von 9-13:30 Uhr warme Getränke und Brote, Brötchen und Obst aus.“
vor ein paar Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Freund – durch das verschlossene Hoftor an der Neuen Brüderkirche hindurch, selbstverständlich auf 1,5 m Abstand. „Social distancing haben wir Deutschen ja drauf“, sagte er, und es kann sein dass er den Unterschied etwas deutlicher spürt wegen seines Migrationshintergrunds. Natürlich haben wir beide gelacht, denn normalerweise sehen wir das weniger als Wert, aber jetzt kommt es uns zugute. In Italien leben die Großfamilien zusammen, die Jungen und die Alten – schön eigentlich, und irgendwie schade, dass das Miteinander der Generationen bei uns nicht so intensiv gelebt wird. Jetzt im Moment ist es vielleicht ein Vorteil – merkwürdig. „Wir sind ja ein bisschen a-sozial – aber das ist gar nicht negativ gemeint! Distanzierung kann ja auch etwas Gutes sein“, sagte mein Freund – und wir mussten das Gespräch unterbrechen, aber mich hat das noch weiter beschäftigt.
Es ist schon merkwürdig, dass wir zum Gottesdienst nicht mehr zusammenkommen können, und auch sonst nicht wirklich. Maximal zwei dürfen sich begegnen, und immer auf Abstand. Es ist keine Frage, dass das im Moment von höchster Bedeutung ist. Nur so kann die Pandemie verlangsamt werden, nur so können wir es schaffen, dass das Gesundheitssystem nicht völlig überlastet wird, nur so können wir Menschenleben retten.
Aber ungewohnt ist es schon. Sonst tun wir alles für „Come
together“ – jetzt tun wir alles für „Social distancing“. Ich habe mal ein Lied
geschrieben namens „Wir kommen zusammen“, in dem sich für mich ganz gut
ausdrückt, was Gottesdienst ausmacht.
Aber diese Gemeinschaft, dieses Im-Kreis-Stehen ist im
Moment nicht möglich.
Wie ist das mit Nähe und Distanz? Ist Nähe immer das Gute, und Distanz immer problematisch?
Wie ist das eigentlich in unserer Tradition mit Nähe und Distanz, mit Gemeinschaftsbildung und Vereinzelung? Zum Wert von Gemeinschaft gibt es natürlich viele Stellen in der Bibel und viele Beispiele aus der Kirchengeschichte. Aber zu Distanz und Vereinzelung? Doch, da gibt es auch einiges!
Im Alten Testament schon gibt es Gesetze, nach denen sich
Menschen in bestimmten Situationen aus der Gemeinschaft zurückziehen sollen. Da
mischen sich Hygienemaßnahme und Religion, das ist nicht alles so rational, und
vieles lehnen wir heute ab. Aber die Grundidee war schon da!
Und auch die Unterbrechung der Arbeit, die jetzt an vielen
Stellen nötig wird, hat da große Tradition: Am Sabbat bleiben alle zu Hause!
Im Neuen Testament scheint manches davon relativiert zu werden: Jesus will keine Gebote abschaffen, aber er setzt die Liebe über alles. Und manche soziale Distanzierung überwindet er, er setzt sich mit Ausgegrenzten und Gesetzesübertretern an einen Tisch und zieht damit den Ärger derjenigen auf sich, die sich an Gesetze halten wollen und darin die einzige Möglichkeit sehen, dass alles gut wird. Und er kommt sogar Aussätzigen nahe, die sonst von allen ferngehalten werden.
Aber auch Jesus braucht manchmal Distanz: Er zieht sich in
die Wüste zum Beten zurück – lange Zeiten, 40 Tage! Sogar im Garten Gethsemane
will er alleine Beten.
Daran schließen Mönche an: Neben den Mönchsgemeinschaften gibt es auch die Eremiten – eine ganze Bewegung war das. Mönche, die sich in die Einsamkeit der Wüste zurückgezogen haben, um ganz mit Gott allein zu sein.
Im Mittelalter hat Meister Eckardt viel über die
„Abgeschiedenheit“ gesprochen: Nur ganz getrennt von der Welt könne man Gott
begegnen, sagte der große Mystiker. Die Welt lenke zu viel ab. Nachvollziehbar,
muss ich sagen.
Natürlich ist das alles ein freiwilliger Rückzug von der Welt. Und so ganz vollständig kann er auch nicht gewesen sein, denn ganz ohne Gemeinschaft kann niemand leben. Oft kamen Menschen zu den Eremiten in ihre Einsamkeit, um mit ihnen zu sprechen – und die versorgten sie wenn nötig auch mit Lebensmitteln.
Wozu nun das alles? Wohin führt diese Reise in die
Vergangenheit?
Wir könnten mal versuchen, diese soziale Distanzierung, die
jetzt für eine Zeit nötig geworden ist, nicht als Verlust zu empfinden sondern
als Gewinn im Sinne von Meister Eckardt. Mehr Zeit mit Gott! Das ist natürlich
nicht ganz so einfach und selbstverständlich. Nur weil man alleine ist hat man
nicht automatisch mehr Gemeinschaft mit Gott. Man kann auch in beunruhigenden
Nachrichten ertrinken. Hier geht es aber darum, ganz bewusst auszuwählen. Zeiten
zu begrenzen. Fake-News auszusortieren. Und bei dem zu bleiben, was uns Kraft
gibt. Und das kommt nicht nur von außen, sondern auch von innen. Viele machen
die Erfahrung, dass ihnen ein Gebet Kraft geben kann, ein Gespräch mit Gott.
Für manche sind es innere Bilder (z.B. der liebende Blick Jesu oder Gottes).
Manche brauchen gar keine Worte und keine Bilder, es ist nur die Konzentration
auf die Quelle des Lebens.
Gleichzeitig mag es sein, dass die Einsamkeit uns den Wert
von Gemeinschaft und Solidarität ganz neu erfahren lässt. Indem wir merken, wer
und was uns fehlt. Aber auch, indem wir vielleicht alte Verbindungen
reaktivieren oder indem ganz neue entstehen. Indem Hilfenetze entstehen, die
vorher gar nicht nötig waren. Dann entsteht vielleicht gerade durch die Distanz
eine neue Nähe. Es ist wie so oft paradox. Vielleicht ist das Projekt „Social
Distancing“ im Grunde ein großes „Come Together“.
Jesus hat unser Verständnis von Gemeinschaft verändert. Der Predigttext für heute steht im Hebräerbrief im 13. Kapitel: „12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Und so können wir niemand mehr draußen vor dem Tor alleine
lassen. Wir müssen vor das Lager, aus unserer eigenen Gemeinschaft hinausgehen,
weil niemand allein bleiben soll. Wir können nicht mehr nur an einige denken,
denn Jesus hat sich mit denen vor dem Tor identifiziert.
Die Bemühungen um Krisenbewältigung sind bemerkenswert. Es ist gut, dass viele kleine Betriebe Unterstützung erhalten. Trotzdem muss ich sagen: ich bin noch nicht ganz sicher, was die Bilanz sein wird am Ende dieser Krise. Gehen wir solidarisch durch diese Zeit? „Geld ist genug da“ für die Maßnahmen zur Rettung der Wirtschaft. Aber ist auch genug Geld da für die vielen, die ihre Arbeit trotzdem verlieren? Wir werden jedenfalls nicht nur „Social Distancing“ brauchen, sondern weiterhin auch „Come Together“ in anderer Form. Ob wir auch das „drauf haben“, wird sich zeigen. Wir hoffen darauf und arbeiten daran mit.
Gott segne Sie und Euch! Im Rückzug und in der Kontaktsuche in anderer Form, in Distanz und Nähe, als Einzelne und als Gemeinschaft.
Brauchen Sie jemanden zum Einkaufen? Wir stellen Kontakte her zu freiwilligen Helfern. Wenn Sie zeitweise kein Geld haben, können Sie auch kostenfrei Lebensmittel bekommen.
Brauchen Sie ein gutes Gespräch? Rufen Sie uns an, wir vermitteln Ihnen einen Menschen, der gerne regelmäßig mit Ihnen telefoniert.
Kontakt Pfarrerin Claudia Barth 0561 87 80 89 Pfarrer Stefan Nadolny 0157 3870 4495 oder 0561 87 45 42
Die Erlöserkirche ist regelmäßig mittags geöffnet (12-13 Uhr).
An der Neuen Brüderkirche werden kostenlos Lebensmittel verteilt: Dienstags, Donnerstags und Samstags jeweils 16-17 Uhr . Außerdem Brotverteilung Mo, Mi, Fr 15-17 Uhr und Kleiderkammer Mi & Fr 14-16 Uhr. Die Zeiten können sich ändern, evtl. Aktualisierungen telefonisch erfragen oder hier auf unserer Seite.
Die Allgemeine Sozialberatung unseres regionalen Diakonischen Werks ist von Montag bis Donnerstag von 10-12 Uhr besetzt und unter der Nummer 0561 71288-16 zu erreichen.
Insbesondere für diejenigen, die kein Internet haben, bietet unsere Landeskirche täglich einen Zuspruch zu Hören an: 0561 9378 -380
Telefonseelsorge: Zusätzlich zur kostenlosen und anonymen Telefonnummer 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 ist die Telefonseelsorge auch per Mail oder Chat zu erreichen: www.telefonseelsorge-nordhessen.de Sorgen kann man teilen. Zögern Sie nicht, sich Hilfe zu holen!
Wir haben nach einer Woche Pause zum Umstrukturieren die Arbeit wieder aufgenommen und verteilen Dienstags, Donnerstags und Samstags von 16-18 Uhr Lebensmittel an der Neuen Brüderkirche, Weserstraße 26.
Die Zeiten können sich ändern und werden dann hier und an der Kirche veröffentlicht. Bitte gelegentlich nachschauen!
Wir haben Tische ans Tor gestellt, sodass die Abstände eingehalten werden, wir arbeiten mit Mundschutz und Schürzen, wir haben Linien auf die Straße gemacht, die dabei helfen sollen, die Abstände einzuhalten (mindestens 1,5 Meter). Bisher hat das gut funktioniert.
Bitte informiert/ informieren sie insbesondere Leute, bei denen vielleicht gerade jetzt am Ende des Monats das Geld zu Ende geht – oder bringt/ bringen Sie ihnen etwas mit.
Uns ist wichtig, dass gerade in Corona-Zeiten auch an die Leute gedacht wird, die in besonders schwierige Situationen geraten (vgl. #LeaveNoOneBehind). Wir sehen unsere Aktion als einen kleinen Beitrag dazu.
Wer nicht aus dem Haus kann, möge sich melden, wir können Helfer vermitteln, die etwas bringen – wenn kein Geld vorhanden ist auch Lebensmittel kostenfrei.
„Kommt alle raus! Kommt! Die Überraschung ist da!“, ruft meine erwachsene Tochter. Etwas verunsichert folge ich ihrem Ruf. Dass sie alle so rumdirigiert, ist ungewöhnlich. Und was soll es gerade noch Schöneres geben? Immerhin haben wir es gerade geschafft, die verkleinerte Familie mitten in Coronazeiten zum Essen zu versammeln. Nur unsere jüngste Tochter ist noch beim Freiwilligendienst in Ghana und wir wissen nicht, ob sie am Wochenende doch ausgeflogen wird. Da haben wir gerade viele Fragen, wie das alles weitergehen soll. Und jetzt also Überraschung. Ich sehe jemand aus dem Auto steigen. Kenne ich die? Und noch jemand. Die kenne ich. Zwar mit afrikanischer Zöpfefrisur, aber ganz eindeutig: das ist unsere Tochter Sophie! Sie ist schon da! Einfach so! Was eine Freude!
Sie wollte uns überraschen, hat drei Tage dichtgehalten – obwohl sie von jetzt auf gleich packen musste, viele liebgewonnene Menschen ohne Abschied zurücklassen musste, um schnell in die Hauptstadt und zum Flughafen zu kommen. Ein schwerer Weg. Und doch auch große Freude mitten in all dem, einfach weil wir wieder zusammen sind!
Wir leben in einer besonderen Zeit. Ja, „Corona“ ist in
aller Munde und hat unser aller Leben in den letzten zwei Wochen sehr
verändert. Aber wir leben auch mitten in der Passionszeit. Die Zeit vor Ostern
ist eine Zeit der Einkehr. Wir erinnern uns an das Lebensende Jesu, wir
bedenken unser eigenes Leben und wir probieren Umkehr. Solches Verzichten, nämlich
z.B. Fasten wie es in fast allen Religionen zeitweise üblich ist, ist ein
Einüben in ein anderes Leben. Wie ist das, wenn ich zeitweise auf den
morgendlichen Kaffee verzichte, mich von Süßigkeiten enthalte oder bewusst auf
die Kurzstrecken mit dem Auto verzichte? Fehlt mir tatsächlich was mit Tee oder
Saft, Nüssen und Trockenobst oder beim Fahrradfahren? Die Fastenzeit, das
Verzichten, ist eine Chance: Ich merke, dass es auch anders geht. Leben ganz
anders ist möglich. Und ich merke auch: das muss nicht beschränkt sein auf die
sieben Wochen vor Ostern. Manches brauche ich tatsächlich gar nicht zum Leben.
Manches fühlt sich so gut an, dass ich es öfter machen will. Ich habe plötzlich
Mut, anders zu leben. Und ich habe auch das Zutrauen und neue Kraft, manches
ganz anders zu machen. Umkehren. Einen neuen Weg finden. So eine besondere Zeit
vor Ostern kann vieles neu machen.
„Boah!“, seufz eine Bekannte, die ich zufällig vor dem
Buchladen treffe, „es ist schon eine surreale Zeit. Ich komme gar nicht
hinterher mit meinen Gefühlen. Einen Tag geht es so, am nächsten ist wieder
alles anders.“ So geht es gerade vielen von uns: Ungefragt finden wir uns im
verordneten Anhaltemodus. Auch eine Vollbremsung mit Ansage ist erschreckend.
Das Gewohnte geht so nicht mehr. Das normale Tempo meines Alltags und die
bekannten Wege in der Freizeit und mit Freunden – alles nicht mehr möglich. Ein
bisschen ist es so als müssten wir alle zurück auf Anfang. „Gehe nicht über
´Los´, ziehe keine 4000 Euro ein.“ Heißt es im Spiel. Verordnete Pause.
Plötzlich ist Zeit zum Hinschauen, zum Hören, zum Wahrnehmen von Kleinigkeiten.
Die Vögel zwitschern schon seit Tagen auffällig laut, ich habe schon mehrere
Hummeln summend an der Balkontür wahrgenommen. Und morgens, da ist es so still,
erstaunlich. Und schön. Ich genieße diese Erfahrungen. Und trotzdem bleiben bei
vielen Menschen die Fragen im Hinterkopf, die ganz schön bohren können: was
stelle ich nur so lange mit den Kindern an, allein, womöglich nur in der
Wohnung? Habe ich genug zu Essen da? Werden wir diesen Stillstand finanziell
überstehen – und die Arbeit behalten? Da ist viel Existenzangst, wenn wir
plötzlich Zeit haben, mal von außen auf unser Leben zu schauen.
Und dann fliegen vor meinem Fenster plötzlich
Riesenseifenblasen rum. Wie schön! Sie schillern in der Morgensonne. Die Kinder
von nebenan schicken diesen Gruß in den Himmel – und laufen hinterher und
wollen die Glitzerkugeln fangen. Ein vergängliches Glück. Aber ein Glück. Ein
Glücksmoment, sehr kostbar. Wie die Freude über das Wiedersehen, das Glück des
Zusammenseins – trotz des Wissens: da bleiben liebgewonnene Menschen zurück.
Und auch hier kann nicht jeder sofort besucht werden.
Tröstlich ist das. Sich mitten in einer schweren Situation
zusprechen zu lassen oder zu erfahren: „Du bist nicht allein. Ich bin da.
Fürchte dich nicht.“ Mitten im Schweren blitzt die Erinnerung auf wie eine
leuchtende Seifenblase:
„`Berge mögen von
ihrer Stelle weichen und Hügel wanken, aber meine Liebe zu dir kann durch
nichts erschüttert werden und meine Friedenszusage wird niemals hinfällig.´ Das
sage ich, der Gott, der dich liebt.“
Gott liebt. Er liebt uns Menschen. Und er hat uns Hoffnung und Trost gegeben mit dem Leben und auch Sterben Jesu Christi. An Jesus können wir sehen: in allem, selbst im Leiden und Sterben, ist Gott da. Jesus konnte darauf vertrauen, obwohl er alleingelassen und schwer verletzt war. Und so hat er den Tod überwunden. Ist auferstanden. Jesus ist uns vorausgegangen, damit wir Trost und Hoffnung finden können: Das Leben geht weiter – Gottes Liebe wird uns durchtragen.
Manchmal ist es so, dass mitten im Schweren das sichtbar wird, was uns trägt. Das, was wir sonst in der Unruhe des Alltags nicht wahrnehmen, steht plötzlich klar vor uns, wenn wir mal zur Ruhe kommen – auch wenn es ein unfreiwilliger Stillstand ist. In der Freude über die Rückkehr unserer Tochter hat sich bei mir ein Liedvers gemischt. Ein Lied über die Freude trotz allem, was gerade nicht so leicht ist.
„Lobe den Herrn, meine Seele, und seinen heiligen Namen. Was er dir Gutes getan hat, Seele, vergiss es nicht, Amen. Lobe, lobe den Herrn, lobe den Herrn, meine Seele! Lobe, lobe den Herrn, lobe den Herrn, meine Seele!“
Der mich im Leiden
getröstet hat, der meinen Mund wieder fröhlich macht, den will ich preisen mit
Psalmen und Weisen, von Herzen ihm ewiglich singen:
„Lobe den Herrn, meine Seele, und seinen heiligen Namen. Was er dir Gutes getan hat, Seele, vergiss es nicht, Amen. Lobe, lobe den Herrn, lobe den Herrn, meine Seele! Lobe, lobe den Herrn, lobe den Herrn, meine Seele!“ – (EG+ 87)
Ich wünsche uns allen, dass diese Freude immer mal wieder in
uns aufleuchtet wie eine Seifenblase und uns tröstet, ermutigt, stärkt in
allem, was uns gerade bedrängt: Gott hat es versprochen: Er ist da. Ich brauche
keine Angst zu haben.
Die Gottesdienste fallen aus – manche werden den Gottesdienst vermissen. Deshalb hier eine Predigt zum Nachlesen:
Liebe Gemeinde,
diesen Sonntag
treffen wir uns nicht in der Kirche. Das ist natürlich schade, insbesondere
diesen Sonntag, weil wir uns schon auf den Vorstellungsgottesdienst der Konfis
gefreut hatten.
Und aus
unterschiedlichen Gründen könnte man das auch in Frage stellen. Z.B.:
Es entscheidet doch jeder
selbst, ob er sich in Gefahr bringen und anstecken will oder nicht.
Es wird schon nichts
passieren, wenn alle Abstand halten.
Früher sind die Menschen in
Notzeiten immer in den Kirchen zusammengekommen.
Haben wir denn gar kein
Gottvertrauen mehr?
Ich will jetzt gar
nicht auf alles eingehen, aber auf die letzte Frage schon. Denn während man zu
den anderen Fragen leicht Antworten aus epidemiologischer Sicht finden kann,
geht es bei der letzten Frage um Theologie. Und dazu würde ich gerne etwas sagen.
Natürlich ist
Gottvertrauen gut. Natürlich brauchen wir die Zuversicht, dass am Ende alles
gut wird auf die eine oder andere Weise. Ganz ohne Gottvertrauen (oder einfach
Vertrauen in die Zukunft) neigen Menschen sicher leichter zu extremen,
übertriebenen Hamsterkäufen (ein bisschen Hamstern ist ja schon in Ordnung und
auch richtig, damit man nicht so oft einkaufen gehen muss). Dann muss man für
alles selbst sorgen, und man fühlt sich eben sicherer, wenn man
„prepared“ ist für monatelange Selbstversorgung.
Und es ist auch
richtig, manches in Gottes Hand zu legen. „Dein Wille geschehe“,
beten wir im Vaterunser. Also, alles laufen lassen?
Der Haupttext für
den ersten Sonntag in der Passionszeit, „Invokavit“, ist die
Erzählung von der Versuchung Jesu in Matthäus 4. Darin kommt auch diese Episode
vor:
„5 Darauf nahm
ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel 6
und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt
in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich
auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. 7 Jesus
antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott,
nicht auf die Probe stellen.“
Also, wir sollen
nicht unnötige Risiken eingehen – und uns dann am besten noch nachher
beschweren, Gott habe nicht geholfen.
Dazu gibt es einige
ganz lustige und interessante Sprüche, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Z.B.: Vertrau auf
Gott – aber schließ dein Auto ab! O.K., das richtet sich vielleicht mehr an
Autobesitzer. Genauso wie: Fahr nicht schneller als dein Schutzengel fliegen
kann.
Aber auch dieser
hier zielt in eine ähnliche Richtung: Gott hat keine Hände als unsere Hände.
Sagte Dorothee Sölle. Daraus ergibt sich eine interessante Paradoxie: Wir legen
die Sache in Gottes Hände – aber Gott hat keine anderen Hände als unsere Hände.
Damit ist klar, wir müssen es irgendwie selbst machen – aber zusammen, es ist
eine größere Sache, die wir aber selbst tun.
Da gibt es auch die
schöne Geschichte von der Frau (oder war es ein Mann?), die sich bei Hochwasser
auf das Dach ihres Hauses flüchtet. Es kommt ein Boot und will sie mitnehmen,
aber sie sagt: Nein Danke, Gott wird mich retten! Das Wasser steigt, es kommt
noch ein Boot, und dann ein Hubschrauber, sie antwortet wieder das gleiche, und
schließlich ertrinkt sie. Im Himmel fragt sie Gott: Wieso hast du mich nicht
gerettet? Und Gott antwortet: Ich habe dir zwei Boote und einen Hubschrauber
geschickt, und jetzt sagst du mir, ich habe dich nicht gerettet?
Gottes Wirken ist manchmal ganz schön versteckt. Aber wo Besonnenheit und Liebe am Werk sind, ist Gott am Werk. Wo Menschen besonnen und liebevoll handeln, ist Gott am Werk – wenn man so will. Gott ist die Liebe, heißt es in der Bibel. In diesem Sinne wollen wir auch diese schwere Situation mit dem Corona-Virus Gott anvertrauen. Möge Gott die Liebe und die Besonnenheit der Menschen stärken, und insbesondere unsere Solidarität – denn darum geht es. Wer jünger ist könnte locker sagen: Ich werde es schon überleben, ich habe keine Lust, mich irgendwie einschränken. Der Staat könnte auch sagen: Wir lassen das laufen, wir wollen ja nicht die Wirtschaft schädigen. Aber es geht um den Schutz derjenigen, bei denen schlimmere Krankheitsverläufe zu befürchten sind. Deshalb beten wir für Besonnenheit und Solidarität. Und damit überlassen wir die Sache gerade nicht einfach nur Gott. Sondern damit richten wir selbst uns auf diese Ziele hin aus. Damit eröffnen wir einen Raum, wie mir vor kurzem jemand sagte. Einen Raum in uns, aber nicht nur das, sondern auch zwischen uns und in der Welt. Einen Raum für das Wirken Gottes, das immer auch etwas ist, was mit uns und zwischen uns geschieht.
So wie es in vielen Kirchen geschieht, möchte ich zur Gottesdienstzeit sozusagen stellvertretend für alle beten. Vielleicht betet ihr ja zu Hause mit. Bleibt behütet und gesund!