Unser Halbjahresthema von Dezember 2018 bis Mai 2019 heißt „Verknüpfungen“. Das Titel Bild dazu ist ein Detail des Knopfwandteppichs der Künstlerin Lilian von Philippovich, der gemeinsam mit Mitarbeitenden in der Nähwerkstatt entstanden ist. Die Beiträge dazu finden sich auch über das entsprechende Schlagwort. Hier zur Eröffnung ein Beitrag von Jenne Michaelis:
Knüpfen ist ein uraltes Handwerk. Der Pasyryk-Teppich ist der bisher
älteste Nachweis für dieses Handwerk. Er wurde aus einem im
Permafrostboden konservierten Grab in Südsibirien geborgen, das wohl
etwa 500 v. Chr. angelegt worden ist. Alle Merkmale des Orientteppichs
sind dort wiederzufinden.
Aus dem Verknüpfen mehrerer Fäden geht ein Knoten hervor. Bei einer Knotendichte von 500.000 Knoten pro m² spricht man von Orientteppichen mit einem besonders hohen Wert. Die Summe der Knoten ergibt ein Flechtwerk, das widerstandsfähig gegen die verschiedensten äußere Einflüsse ist und daher sehr langlebig sein kann. Das Handwerk des Knüpfens wird noch heute praktiziert. Konkurrenz bekommt es durch maschinell gefertigte Textilien, die weitaus günstiger in der Produktion sind. In einem Orientteppich können 600 Stunden Handarbeit stecken. Industriell wird diese zeit eher in Minuten gezählt. Aber selbst die so weit fortgeschrittene Technik kann nicht so genau arbeiten, dass ein einzelner Knoten detaillgetreu nachgebildet werden kann. Somit können günstigere Imitate durch einen Blick auf die Rückseite des Teppichs schnell entlarvt werden.
Wie
erkennt man stabile Verknüpfungen, Beziehungen im Leben, die einem
Kennerblick standhalten können, jene, die langlebig sind?
Über
das Internet sind wir mit der ganzen Welt verbunden, es umspannt den
Erdball wie ein gigantisches Netz. Noch nie hatten die Menschen so viel
„Kontakt“ zueinander. In keinem anderen Zeitalter der
Menschheitsgeschichte, war es uns möglich, mit so vielen anderen
Menschen auf unterschiedlichen Erdteilen in Verbindung zu stehen. Über
Email, Skype, Whats app… doch wie intensiv kann ein Austausch über das
persönliche Empfinden sein, wenn er über Kurznachrichten mitgeteilt
wird? Wenn wir das Gesicht, das wir auf dem Monitor sehen, in Wahrheit
nicht berühren können, weil uns 20.000 km davon trennen? Ist eine solche
Verbindung „echt“? Kann sie bestand haben und einen nachhaltigen
Knoten erzeugen?
Beim Knüpfen eines Orientteppichs gibt es zwei wesentliche Knotenarten. Den Türkischen und den Persischen Knoten. Beide Arten können in einem Teppich auftreten. Egal ob einzeln oder kombiniert: es entsteht ein Meisterwerk. Anscheinend kommt es nicht so sehr auf die Technik des Knüpfens an. Vielleicht nicht einmal auf die Festigkeit des einzelnen Knotens. Aber worauf dann?
Wenn ich den Fotoausschnitt betrachte, sehe ich Lücken zwischen den einzelnen Knöpfen. Die Knöpfe sind lediglich mit wenigen Fäden in ihrer Mitte an den Teppich genäht. Einige berühren sich, aber sonst stehen sie scheinbar nicht miteinander in Verbindung. Aber doch geben sie sich gegenseitig Halt. Weil sie selbst gehalten werden vom Knüpfwerk des Teppichs, an dem sie befestigt sind und somit auch miteinander verknüpft sind, miteinander in Kontakt stehen, miteinander verbunden sind.
Im Gesangbuch ist das Weihnachtslied „Fröhlich soll mein Herze springen“ zu finden. Die Worte „Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute, Gottes Kind, das verbind’t sich mit unserm Blute.“ beschreiben diesen Rückhalt. Gott hat sich an Weihnachten ganz eng mit uns verbunden, indem er selbst Mensch geworden ist. Es ist kein Verhältnis von oben herab mehr – und so sollten wir auch miteinander umgehen. Aus Verbundenheit heraus einander betrachten!